Prof. Dr. Dr. h.c. Andreas Georg Scherer

Viele wirtschaftliche Entwicklungen beschleunigen und verdichten sich – das hat Auswirkungen auf die BWL. Was beschäftigt Sie gerade?

Die soziotechnologischen Entwicklungen (Internet, Social Media, KI, Big Data etc.) fördern eine „organisierte Unmündigkeit“ des Individuums und führen zu Rückschritten in der Aufklärung (Kant). Kommunikation, Entscheidungen und Verhalten werden durch Algorithmen beeinflusst, denen wir uns teils freiwillig, teils unfreiwillig unterwerfen, ohne die dahinterstehenden Funktionsweisen und Interessenlagen zu durchschauen. Zugleich brechen sich in Teilen der Gesellschaft Autoritätsgläubigkeit und Wissenschaftsfeindlichkeit zunehmend Bahn, die die Autonomie des Individuums in der freiheitlichen Gesellschaft untergraben. Organisationen sind Treiber, wie Individuen aber auch Getriebene solcher Entwicklungen. Wir müssen daher die Mechanismen untersuchen, wie Organisationen diese anti-aufklärerischen Tendenzen herbeiführen und wie sie diesen entgegenwirken können. Es geht um „disorganizing organized immaturity“ und „organizing maturity“, um die Autonomie des Individuums sichern zu helfen.

Was würden Sie gern ändern, wenn Sie die Möglichkeit dazu hätten?

Bologna! – Modularer Unterricht und Prüfungen haben negative Folgen: Fragmentierung der Lehre sowie Spezialisierung von Wissen und Kompetenzen fördern eindimensionale Perspektiven und Technokratentum. Ganzheitliche Problemlösungsfähigkeiten, integratives Denken und interdisziplinäres Arbeiten bleiben zu häufig auf der Strecke. Dem müssen wir entgegensteuern, um besser auf die Herausforderungen in Wirtschaft und Gesellschaft vorzubereiten.

Warum freuen Sie sich auf die VHB-Tagung?

Die VHB-Tagung bietet die einmalige Gelegenheit, aus den subdisziplinären Silos herauszutreten und Entwicklungen in der BWL in ihrer ganzen Breite zu verfolgen und mitzugestalten.

Und sonst so?

Während des durch COVID-19 erzwungenen Homeoffice konnte ich mein Lauftraining intensivieren. Frischluft und Weitblick tun gut!